Material nach Pikler
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Emmi Pikler war davon überzeugt, das jedes Kind selbstständig, „aus sich heraus“ die grundlegenden Bewegungsarten, „seine“ spezifische Bewegungsart in „seiner“ Zeit lernen kann und sollte. Sie hat gesehen, das Kinder hierfür keine Aufforderung oder spezielle Förderung brauchen, vielmehr dass eine liebevolle, aufmerksame Beobachtung und Begleitung von Erwachsenen und ein sicheres und kindgerechtes Umfeld Bedingung für die gesunde Entwicklung und Ausreifung der Persönlichkeit des Kindes wären. Wenn das Kind in einer guten Beziehung zu seinen Eltern oder Erziehern ausgeglichen und unbelastet sich selbst und seine Umgebung in Eigeninitiative entdecken und erforschen kann, wird es sich gesund und altersgerecht entwickeln. Diese frühe Erfahrung des eigenständigen Lernens stärkt das Kind auch für alle zukünftigen Aufgaben.
Für Emi Pikler war es ein besonderes Anliegen, dem Kind Zeit zu geben, sich ausführlich auszuprobieren, viele Arten der Bewegung zu erfahren, auch Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. Einen Widerstand durch ausdauernd forschendes Probieren und Experimentieren aus eigener Kraft zu überwinden, stärkt das Kind auch, weil der Lösungsprozess selbstständig entdeckt und gelernt wird und somit Vertrauen an diese Fähigkeit in sich selbst entsteht.
Die autonome Bewegungsentwicklung wird nach Emmi Piklers Vorstellung in „beziehungsvoller Pflege“ von den Eltern oder Erziehern liebevoll begleitet. Es ist das sehr menschenfreundliche, liebevolle Bild vom Kind, das die Unwiderstehlichkeit von Emmi Piklers Pädagogik ausmacht. Der grundlegende Respekt gegenüber der Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen von Geburt an, das achtsame Eingehen auf das individuelle Tempo, die eigene Art der Entwicklung eines jeden Kindes, der Glaube an die jedem Individuum innewohnende Fähigkeit zur Selbstentfaltung, das Vertrauen, das etwas gutes herauskommt, ohne das man drängelt und drillt, das ist Emmi Piklers Verständnis einer guten Beziehung zum Kind. Die von Emmi Pikler entwickelten Materialien unterstützen diesen Prozess.
Der Raum spielt in Emmi Piklers Pädagogik ebenfalls eine zentrale Rolle, er "erzieht" mit. Er sollte so gestaltet sein, das einerseits genügend davon für Entfaltung und Entdeckung geben ist, die Kinder sich andererseits aber auch nicht in zu viel davon „verlieren“ können. Raumteiler oder eine kluge Einrichtung mit „Inseln“ sind mögliche Lösungen. Eltern oder Erzieher sollten nicht ständig eingreifen müssen, um das Kind entweder vor einer gefährlichen Situation zu schützen oder sogar aus ihr zu befreien. Der „vorbereitete Raum“ muß den Fähigkeiten des Kindes angepasst sein, also auch stetig veränderbar sein, da sich die Fähigkeiten des Kindes entwickeln. Wenn das Kind nirgendwo hinabstürzen kann, wenn keine gefährlichen Gegenstände erreichbar sind u.s.w., können die Erwachsenen sich entspannen und das Kind seinem freien Spiel überlassen. Die Eltern oder Erzieher verlieren dabei das Kind keineswegs aus den Augen. Weiterhin begleiten sie es achtsam und liebevoll und geben dem Kind seinem Entwicklungsstand angepasstes Material, mit dem das Kind seine Entdeckungs- und Bewegungsbedürfnisse befriedigen kann.